Jägersprache, Kult oder Geschichte? – Erfahrungsbericht von Andre Westerkamp
Die Jägersprache wird in der Jägerprüfung nicht gefragt. Dennoch legen die Jäger großen Wert darauf, sich in ihrer Sprache zu verständigen. Warum? Der Hase hat Ohren, Beine und einen Schwanz. Ist doch leicht! Nein, es sind die Löffel, die Läufe und die Blume. Unsere Mundart des Jagdhandwerks ist die Zierde des Brauchtums. Die Sprache ist so alt wie die Jagd selbst. Die gelebte Tradition gehört zur Jagd wie die Flinte, die Büchse und der Jagdhund.
Die unterschiedlichen Ausdrucks- und Schreibweisen zeigen zudem auf, aus welcher Region der Jäger stammt. Oder ist es eigentlich eh egal, ob man nun „Waidmannsheil“ oder „Weidmannsheil“ schreibt? Klingt zumindest beides gleich!
Die alte Schreibweise mit ai meint genau das Gleiche wie die Neue. Der bewährte Gruß der Jägerinnen und Jäger untereinander, der Wunsch für den guten Erfolg bei der Jagd, ein „Glückwunsch“ zum erlegten Stück.
Ein freudiges „Waidmannsdank“ als herzlicher Dank ist die Antwort für jagdlichen Erfolg.
Natürlich darf der Gruß auch gegenüber den Nichtjägern genutzt werden. Zeigt dieser Gruß doch auf, mit wem man es draußen zu tun hat.
Der Trinkspruch mit Waidmannsheil in der Runde wird zudem mit der rechten Hand begonnen, die Runden gehen ansonsten an die Linkshänder. Der ein oder andere Jungjäger hat es schnell gelernt, sich in dieser Tradition einzufinden. Gelegentlich darf der ältere Jäger am Tisch die jüngeren auch diesbezüglich zurechtweisen. Dies ist kein böser Wille, vielmehr wird eine Tradition gepflegt.
Das Jagdhorn wird im Übrigen ebenfalls rechts getragen, die Waffen dagegen links. Der Bruch am Hut wird ebenfalls rechts getragen.
Die Jägersprache in der Pflege und Verwendung ist eine Standessprache. Selbstverständlich lernen Jungjägerin und Jungjäger diese Sprache im Jagdkurs gleich mit, um bei späteren Gegebenheiten nicht Hohn und Spott zu ernten. Es hilft auch, gleich im Kurs den Gesang des Horrido zu verinnerlichen:
Der Jagdleiter ernennt zum Beispiel den Jagdkönig (dieser bleibt nach der Ernennung sitzen, alle anderen stehen auf) und stimmt anschließend ein Horrido an.
„Dem Schützen (Jagdkönig) ein dreifach Horrido, Horrido, Horrido!“ Die anwesenden Jäger antworten jeweils mit „Joh“
Anschließend wird gemeinsam gesungen:
Ein Horrido, ein Horrido, ein Waidmannsheil.
Ein Horrido, ein Horrido, ein Waidmannsheil
Horrido, Horrido, Waidmannnshesheil.
Wer liebt das Waidwerk, wer geht gern zur Jagd?
Wer liebt schöne Frauen, bei Tag und auch bei Nacht?
Horrido, Horrido, Horrido
Heiß ist das Eisen,
hart ist der Stahl,
schön ist die Liebe,
drum woll‘n wir noch einmal.
Horrido, Horrido, Horrido
Oder so:
Schwarz ist das Eisen,
blau ist der Stahl,
rot ist die Liebe,
drum trinken wir noch mal …
Und wenn es ganz spät wird:
Rost ist in der Flinte,
der Pulversack ist leer,
und das Allerschlimmste
der Hund, der steht nicht mehr!
Danach erhebt der Jagdkönig sein Glas, bedankt sich beim Jagdleiter (es kann der Dank für die Einladung sein, der Dank an die Küche, an die Jagdleitung, an die Hundeführer, die Treiber, die Helfer, usw.).
Der Jagdkönig wird dann zu einem späteren Zeitpunkt nochmals das Glas erheben und ein Horrido auf die Jagd ausbringen. Dann meist ohne Gesang, je nach Situation und Stimmung. Dies gehört zur gelebten Jagdtradition dazu.
Je nach Region lebt die Jagd, sie lebt durch Tradition und Brauchtum. Vielen wird tatsächlich erst bewusst, wie verwachsen die Jagd mit Land und Leuten ist, wenn sie erstmals in den Kreis der Jäger aufgenommen werden. Für den einen oder anderen mag dies befremdlich erscheinen, Außenstehende können dieser Form der Tradition nichts abgewinnen. Erst über Jahre versteht man, warum gewisse Umgangsformen in der Jagd mit der Jägersprache gepflegt werden.
Die Jägersprache umfasst bis zu 6000 Begriffe, teils je nach Region noch unterschiedlich ausgesprochen. Die Wurzeln der Sprache liegen sehr lange zurück, vermutlich bildete sich im 7. Jahrhundert diese Form der Verständigung aus.
Im Alltag finden sich regelmäßig Ausdrücke aus der Jagd wieder: Die Feier wurde „abgeblasen“ oder da hat jemand den Täter „zur Strecke gebracht“.
Die Jägersprache zu lernen ist nicht schwer; im Grunde ist es wie beim Vokabellernen in einer Fremdsprache. Die Begriffe gehen einem in Fleisch und Blut über. Nicht selten ist das Gegenüber überrascht, wenn sich ein Jäger in der Natur in „seiner“ Sprache unterhält. Da sind Geläuf, Gestüber, Losung, Himmelszeichen, usw.
Jäger unterhalten sich so.
„Die haben ja ordentlich was zur Strecke gebracht!“
Autor: Andre Westerkamp
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